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17.11.2015

Mit Starthilfe in die deutsche Schule

Die Kinder des Deutschkurses lernen spielerisch Begriffe aus dem Schulalltag.
Passt das Kärtchen zur vorgelesenen Vokabel? Die Kinder des Deutschkurses lernen spielerisch Begriffe aus dem Schulalltag.
Wenn Eltern mit ihren schulpflichtigen Kindern nach Deutschland ziehen oder hier Asyl beantragen, sprechen die Kleinen in der Regel kein Deutsch. Eine Schule müssen sie dennoch besuchen. Wie das klappen kann, zeigt schon seit 2011 die Matthias-Grundschule in Trier-Süd.

Mit Feuereifer sind die Kinder im Stuhlkreis bei der Sache, lachen, rufen durcheinander und strecken sich nach Kärtchen, die auf dem Boden liegen. Eine Schülerin liest Begriffe vor, die anderen müssen so schnell wie möglich die dazu passenden Bilderkärtchen finden. Wer am Ende die meisten hat, gewinnt. Währenddessen spielen in einer zweiten Gruppe jüngere Kinder „Ich sehe was, was Du nicht siehst.“

„Die Kinder lernen gerade die Artikel ‚der, die, das‘ und den Wortschatz zum Themenfeld Schule“, erklärt Lehrerin Heike Keßler-Husse und ergänzt „Wir arbeiten viel mit Aktion, um das Sprechen zu fördern.“ 15 Kinder von sechs bis fast elf Jahren unterrichtet sie zweimal die Woche in einem Intensiv-Deutschkurs, der auch Deutsch als Zweitsprache (DaZ) genannt wird. An den anderen drei Tagen übernehmen zwei Kolleginnen den Unterricht. Einzige Unterrichtssprache ist Deutsch. Die Heimat der Kinder liegt unter anderem in Bulgarien, Rumänien, Syrien, den USA und Polen. Jeden Morgen besuchen sie zunächst drei Stunden lang den Deutschkurs und wechseln dann für den Rest des Schultags in eine altersgemäße Regelklasse.

Ein Kurs für alle

Im Kurs treffen Kinder unterschiedlichen Alters und Deutschniveaus aufeinander, was in der Praxis jedoch wenig Probleme bereitet. „Wir nutzen kooperative Arbeitsformen, fortgeschrittene Kinder helfen den Anfängern“, erläutert Keßler-Husse. Ein weiteres Merkmal ihres Kurses ist eine ständige Fluktuation: Die Kinder bleiben für mindestens sechs, höchstens jedoch zwölf Monate. Wer im nächsten Frühjahr dazu stößt, fängt folglich nicht mit „der, die, das“ an, sondern muss sich eventuell sofort mit dem Dativ auseinandersetzen. Doch auch das ist nach Erfahrung der Pädagogin kein Problem. Die Neuen machen den einjährigen Zyklus einfach mit, sie holen die grundlegenden Dinge dann im nächsten Herbst nach, ohne dass sich dies negativ auf ihren Spracherwerb auswirkt.

Vorreiter Matthias-Grundschule

Ein wichtiger Baustein für die Sprachförderung ist der zusätzliche Besuch einer Regelklasse. Da die Matthias-Grundschule eine Ganztagsschule ist, finden bis 16 Uhr Unterricht, Projektarbeit und AGs statt. So werden die Neuen von ihren gleichaltrigen Klassenkameraden nicht nur als kurzzeitige Gäste wahrgenommen, sondern verbringen den größten Teil der Zeit mit ihnen. In den ersten drei Unterrichtsstunden, in denen sie fehlen, finden auch in den Regelklassen Deutschstunden statt, sodass sie keine wichtigen Fächer verpassen. Am Ende eines Schuljahres erhalten sie wie alle Schüler ein Zeugnis. Ihre Deutschkenntnisse werden auf einem Extrablatt vermerkt.

Die Matthias-Grundschule war die erste Grundschule im Stadtgebiet, die diese Art des Deutschunterrichts eingeführt hat. Sie unterrichtet daher Schüler aus dem ganzen Stadtgebiet. Viele wechseln nach Beendigung des Deutschkurses an eine Grundschule, die näher an ihrem Wohnort liegt. Die neue Schule erhält beim Übergang einen Entwicklungsbericht, der genau beschreibt, welche Fertigkeiten ein Kind auf den Gebieten Hören und Sprechen, Lesen und Schreiben mitbringt.

Aufgrund des erwarteten Zuzugs vieler Flüchtlingsfamilien haben jetzt auch die Grundschulen Ehrang, Keune in Neu-Kürenz und Ambrosius in Trier-Nord das Kursmodell übernommen. Unter den weiterführenden Schulen bietet das Auguste-Viktoria-Gymnasium schon länger Deutschkurse an, ebenso die Realschulen plus Kurfürst Balduin, Nelson-Mandela und Ehrang. An einem runden Tisch besprechen das städtische Amt für Schulen und Sport und die Schulaufsicht in der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Zahlen und Trends und legen fest, in welchen Stadtteilen und damit welchen Schulen in Zukunft Deutschkurse benötigt werden. Das Amt für Schulen und Sport sorgt für einen Klassenraum, die ADD weist das Lehrpersonal zu.

Heike Keßler-Husse war von Anfang an dabei, als das Modell des Intensivsprachkurses für Grundschüler eingeführt wurde. Damals entwickelten die Schulaufsicht und weitere engagierte Schulleitungen zusammen mit dem Beirat für Mi- gration und Integration ein Konzept, das sich an Erfahrungen aus Hamburg anlehnt. Inzwischen ist es in Rheinland-Pfalz als „Trierer Modell“ bekannt. Offen gibt sie zu, dass sie zu Beginn etwas Angst vor der babylonischen Sprachverwirrung hatte. Ihre Befürchtungen hätten sich jedoch nicht bewahrheitet. Ihren Kollegen, die jetzt ebenfalls Deutschkurse für Kinder einführen, macht sie Mut: „Lasst Euch nicht unterkriegen. Es ist ein schönes Arbeiten!“bau

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