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26.04.2016

Herausforderung Alltag

Beispielbild Sozialarbeit Flüchtlingshilfe
Franziska Fischer (l.) und Ayad Abbas erklären einer jungen Syrerin, wie sie den korrekten Waschgang für ihre Wäsche einstellt.
Die Stadt bringt viele der ihr zugeteilten Flüchtlinge, die sich noch im Asylverfahren befinden, in Wohnungen im Stadtgebiet unter. Doch das Leben in einer deutschen Stadt unterscheidet sich grundlegend vom Leben, das diese aus Syrien, Afghanistan oder Somalia gewohnt sind. Sozialarbeiter bringen den Geflüchteten geduldig die hiesigen Gepflogenheiten und Regeln bei.

„Ach, das wissen die ja nicht!“ – Als der Stadt im Herbst 2015 die ersten Flüchtlinge zugeteilt wurden, waren die Sozialarbeiter immer wieder überrascht, in welchen Situationen die Flüchtlinge nicht zurechtkamen. Zum Beispiel, wenn sie benötigte Medikamente nicht im Haus hatten, weil sie nicht wussten, dass sie ein Arztrezept in einer Apotheke einzulösen hatten. Inzwischen ist den Sozialarbeitern klar: Fast allen muss man fast alles erklären, oft mehrmals. Und genau dies machen sie auch, damit die Flüchtlinge sich nach und nach selbst zurechtfinden und mit der Zeit selbständig werden.

Gemeinsam Müll trennen

Franziska Fischer ist städtische Sozialarbeiterin und betreut die Flüchtlinge, die in Wohnungen auf der linken Moselseite untergebracht sind. „Im Durchschnitt fahre ich jede Woche bei den Familien und Wohngemeinschaften vorbei“, berichtet sie. Flüchtlinge, die ausreichend Deutsch oder Englisch sprechen, besucht sie allein, in anderen Fällen muss sie einen Übersetzer organisieren. In Ehrang und Quint sind neben ihr zudem Sozialarbeiter der Diakonie im Einsatz, von denen einige Arabisch sprechen. Beim Bezug der Wohnungen gibt Fischer eine erste Einweisung: Sie erklärt, wie Herd, Heizung und Waschmaschine funktionieren, zeigt, wo man einkaufen kann, geht beim ersten Mal oft sogar mit, sagt, wo die Mülltonnen stehen, bringt Gelbe Säcke vorbei und erklärt die Mülltrennung. Nach wenigen Tagen kommt sie erneut vorbei und beantwortet weitere Fragen.

„Die einen verstehen es schneller, die anderen langsamer“, hat sie beobachtet. Dabei konnte sie allerdings keinen Unterschied zwischen verschiedenen Volksgruppen ausmachen. Gerade bei Analphabeten sei der Betreuungsaufwand jedoch sehr hoch, berichtet sie. Denn hier nütze die Mappe mit praktischen Informationen, die sie allen Flüchtlingen zusammenstellt, nichts. Vieles vermittelt sie deshalb über das praktische Zeigen und Vormachen. So setzt sie sich auch schon mal mit Familien zusammen, um gemeinsam den Müll zu trennen. Die Post schaut sie in allen Haushalten durch, damit keine wichtigen Briefe übersehen werden. Auch die deutschen Baustandards sind ein Quell von Missverständnissen. Dass sich Fenster öffnen lassen, ist nicht jedem klar. Wie wichtig das Lüften ist, damit sich in unseren modernen Wohnungen kein Schimmel bildet, erklären die Sozialarbeiter immer wieder und sehr eindrücklich.

Sprechstunden im Amt

Außerhalb der eigenen vier Wände ist die Organisation des Alltags erst recht eine große Herausforderung, vor allem für Familien. Die Sozialarbeiter melden die Kinder bei der Kita oder der Schule an, erläutern, welche Schulmaterialien notwendig und wo diese erhältlich sind und füllen alle notwendigen Anträge aus. Zudem kümmern sie sich um Sprachkurse für die Erwachsenen, koordinieren Arztbesuche, organisieren Termine mit der Ausländerbehörde, dem Jobcenter oder der Sparkasse, vermitteln in Zusammenarbeit mit der Ehrenamtsagentur Flüchtlingsbegleiter und informieren über Freizeitangebote. Bei Problemen können die Flüchtlinge auch zu den Sprechstunden ins Amt kommen, „zu den regulären Öffnungszeiten“, wie die Mitarbeiter betonen. Dass sie nicht rund um die Uhr erreichbar sind, ist für die Flüchtlinge zunächst unverständlich, die sich im fremden Land oft hilflos fühlen. Caritas-Mitarbeiter Ayad Abbas, der von Anfang an mit der Betreuung von Asylbewerbern betraut war, kann davon ein Lied singen. Wenn er privat in der Stadt ist, wird er buchstäblich alle paar Meter von Menschen angesprochen, die ihn wiedererkennen und ihn um Hilfe bitten, Briefe vorzeigen und Fragen haben. Dass die Menschen sich auch bei Problemen einmal gedulden müssen, dass Öffnungszeiten in Deutschland nicht verhandelbar sind und alles seinen korrekten bürokratischen Gang geht – auch das ist ein nicht zu unterschätzender Teil der Eingewöhnung und Integration. bau

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