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22.09.2015

"Aleppo ist weg"

Mohamed Karkin
Beim Interviewtermin um 9 Uhr ist Mohamed Karkin bereits seit fünf Stunden auf den Beinen und hat die Frühschicht hinter sich gebracht.
Die syrische Stadt Aleppo ist so alt wie Trier, ihre Altstadt erklärte die Unesco 1986 zum Weltkulturerbe, in ihren Grenzen lebten noch vor wenigen Jahren 1,7 Millionen Menschen. Vor drei Jahren erreichte der Bürgerkrieg die Stadt, und inzwischen liegt sie zu großen Teilen in Trümmern. Viele Einwohner sind geflohen, überwiegend in die nur 60 Kilometer entfernte Türkei. „Aleppo ist weg“, fasst Mohamed Karkin die Situation lakonisch zusammen. Von seinen Brüdern und Schwestern lebt niemand mehr in ihrer Heimatstadt Aleppo.

Karkin reiste im Juli 2013 nach Deutschland und beantragte Asyl. Während seines Verfahrens, das im Mai 2014 positiv beschieden wurde, lebte er zunächst in Daun in der Vulkaneifel. „Sehr klein“ sei Daun gewesen, sagt Karkin, auch habe es dort keine Sprachkurse gegeben. Er wollte jedoch arbeiten und Deutsch lernen und zog deshalb nach Trier. Da er die lateinische Schrift nicht kannte, meldete ihn das Jobcenter in einem Alphabetisierungskurs an, den er erfolgreich abschloss. Nebenher lernte er zu Hause deutsch, weshalb er sich schon flüssig über einfache Dinge unterhalten kann. Zur Not holt er sein Handy aus der Tasche und nutzt eine Übersetzungsfunktion.

Diese Woche startet für Karkin ein weiterer Integrationskurs, in dem er seine Deutschkenntnisse erweitert, doch er wollte zusätzlich arbeiten. Dem Team der Arbeitsvermittler im Jobcenter gelang es, ihn als Hausmeister und Gebäudereiniger an die Firma Greisler zu vermitteln. Seitdem ist Karkins Tag randvoll gefüllt: Um vier Uhr steht er auf, wird um 5.25 Uhr zur Arbeit abgeholt, die um 7.30 Uhr endet, von 8.30 bis 13 Uhr schließt sich der Sprachkurs an, von 15.30 bis 19 Uhr geht er wieder arbeiten. Zu Hause bleibt gerade noch Zeit zum Duschen, Essen, Lernen und Schlafen.

In Syrien arbeitete Karkin in einer Schuhfabrik, war als Hausmeister und Anstreicher tätig. Die Migrationsbeauftragte des Jobcenters, Sandra Karl, hat daher von seinem Arbeitgeber bereits signalisiert bekommen, dass er demnächst auch anspruchsvollere Arbeiten übernehmen soll. Sie ist zuversichtlich, dass er im November finanziell auf eigenen Füßen steht. Karkins Wunsch für die Zukunft ist klar: „Ich möchte Vollzeit arbeiten“.

„Trier ist eine gute Stadt“, sagt Karkin. Er hat bereits einige Freundschaften geschlossen, auch mit Deutschen. In Syrien sieht er keine Zukunft für sich. Schon vor dem Krieg habe er Probleme mit der Obrigkeit gehabt, erzählt er. So habe er einen Monat im Gefängnis gesessen, weil er sich auf den Oberarm ein Halbmond-Tattoo stechen ließ. Jemand habe ihn angeschwärzt und die Polizei habe ihn daraufhin als angeblichen türkischen Spion verhaftet. Das Tattoo hat er sich inzwischen in ein geschwungenes Tribal umarbeiten lassen, auch wenn er weiß: „In Deutschland interessiert es keinen, ob ich ein solches Tattoo habe.“

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