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Unbegleitete minderjährige Ausländer

Was versteht man unter einem unbegleiteten minderjährigen Ausländer?

 Artikel 2 Buchstabe h) der VERORDNUNG (EU) Nr. 516/2014 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 16. April 2014 definiert einen unbegleiteten minderjährigen Ausländer (umA) als "einen Drittstaatsangehörigen unter 18 Jahren, der ohne Begleitung eines für ihn nach dem Recht oder der üblichen Praxis des betroffenen Mitgliedstaats als sorgeberechtigt geltenden Erwachsenen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eintrifft oder eingetroffen ist, solange er nicht in die tatsächliche Obhut eines Sorgeberechtigten übernommen wurde; dazu zählen auch Minderjährige, die nach dem Eintreffen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ohne Begleitung zurückgelassen wurden."

In Deutschland sind bei Einreise eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz des Kindeswohls auf der Grundlage des Achten Sozialgesetzbuches (SGB VIII) zu treffen. Das Jugendamt der Stadt Trier hat hierfür als qualifizierte Fachstelle das Sachgebiet umA installiert, welches als zentraler Ansprechpartner für alle auftretenden und notwendigen Belange der unbegleiteten minderjährigen Ausländer zuständig ist. Im Sachgebiet arbeiten Mitarbeitende des Allgemeinen Sozialen Dienstes, Mitarbeitende der Wirtschaftlichen Jugendhilfe und die für den Bereich zuständigen Vormünder. Der Allgemeine Soziale Dienst ist ein kommunaler sozialer Dienst, der auf die Bereiche Kinder, Jugendliche, Familie und Erziehung ausgerichtet ist und fallführend für die Vermittlung von geeigneten und qualifizierten Jugendhilfemaßnahmen nach dem SGB VIII zuständig ist. Bei der Wirtschaftlichen Jugendhilfe handelt es sich um die, für die finanzielle und verwaltungsmäßige Umsetzung der Maßnahmen und Leistungen der Jugendhilfe im SGB VIII, zuständige Stelle. Ein Vormund ist der gesetzliche Vertreter einer minderjährigen Person, welche unter keiner elterlichen Sorge steht oder deren Eltern in den personen- und vermögensrechtlichen Angelegenheiten nicht zur Vertretung berechtigt sind oder temporär die elterliche Sorge nicht ausüben können. 

Was passiert mit den unbegleiteten Minderjährigen, wenn sie in Deutschland eingereist sind?

Wird ein unbegleiteter minderjähriger Ausländer in Deutschland aufgegriffen, wird er vom zuständigen Jugendamt vorläufig in Obhut genommen. Um die vorläufige Inobhutnahme auszusprechen, muss eine Minderjährigkeit vorliegen. Im Falle der unbegleiteten minderjährigen Ausländer besteht die Problematik, dass diese meist ohne gültige Ausweispapiere einreisen. Mangels vorhandener Ausweispapiere ist das Alter mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme durch die Mitarbeiter des Jugendamtes einzuschätzen und festzulegen (§ 42f SGB VIII).

Die Inaugenscheinnahme dient auch dazu, eine erste Anamnese durchzuführen, um weitere, wichtige Informationen über den Jugendlichen/die Jugendliche zu erhalten. Daher werden alle Inaugenscheinnahmen nur in Begleitung eines Dolmetschers durchgeführt.

Die Meldung darüber, dass sich ein umA im Zuständigkeitsgebiet des Jugendamtes Trier aufhält, erfolgt meist über die Polizei oder die Erstaufnahmeeinrichtung in Trier. 

Die vorläufige Inobhutnahme nach § 42a SGB VIII ist notwendig, da das Jugendamt einen besonderen Kinder- und Jugendschutzauftrag hat. Dieser Auftrag beinhaltet die Sicherung der Rechte und Chancen von Kindern und Jugendlichen auf eine gesunde Entwicklung, sowie die Förderung ihrer Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. Gerade unter dem Gesichtspunkt, dass die Minderjährigen ohne ihre Eltern vor Ort eintreffen und sich in einer Krisensituation befinden, spielt der Schutzauftrag eine außerordentlich wichtige Rolle. Zu diesem Zweck sorgt das Jugendamt für die Unterbringung in geeigneten Einrichtung der Jugendhilfe. Diese Einrichtungen können sich auf fachspezifische Qualifikationen berufen, weisen mehrjährige Berufserfahrung auf und gewährleisten die notwendige pädagogische Betreuung der Jugendlichen. Sie unterstützen die jungen unbegleiteten Ausländer bei der sprachlichen und gesellschaftlichen Integration, stellen Kontakt zu Dolmetschern her und überwachen die Schulpflichterfüllung und die damit verbundene Bildungs- und berufliche Integration. In Einzelfällen ist nach Überprüfung auch die Unterbringung bei Verwandten möglich. Dem Jugendamt der Stadt Trier stehen für die Unterbringung in Jugendhilfeeinrichtungen langjährige Kooperationspartner zur Seite.
Im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme wird der Jugendliche dem Landesjugendamt gemeldet. Nach der Meldung wird der Minderjährige einem Jugendamt innerhalb von Rheinland-Pfalz nach einer festgelegten Quote für die Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII zugewiesen. Dies beinhaltet den Auftrag, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform unterzubringen. Die in Obhut genommenen Minderjährigen erhalten einen Vormund, der sie in ausländer- und asylverfahrensrechtlichen Fragen unterstützt. Während der Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII findet das sogenannte „Clearingverfahren“ statt.

Was ist das sogenannte „Clearingverfahren“?

Unter dem Begriff „Clearingverfahren“ sind die verwaltungs- und sorgerechtlichen sowie organisatorischen Abläufe, die unmittelbar nach der Entscheidung über die Inobhutnahme eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings durchgeführt werden, zu verstehen. Ziele des Clearingverfahrens sind der Schutz, die Klärung der Situation und der Perspektiven des unbegleiteten minderjährigen Ausländers.

Konkret beinhaltet das Clearingverfahren insbesondere folgende Punkte:
• Klärung des Gesundheitszustandes
• Ausländerrechtliche Registrierung
• Sozialanamnese
• Vormundschaftsregelung
• Prüfung des Bildungsniveaus und Informationsvermittlung
• Beginn der Hilfeplanung erzieherischer Bedarfe; aufenthaltsrechtliche Perspektive (z.B. Asylantrag, Familienzusammenführung, Rückführung); Schule/ Ausbildung; medizinischer und/ oder therapeutischer Bedarf; Vorschlag einer geeigneten Anschlussunterbringung (z.B. Jugendhilfeeinrichtung, Vollzeitpflege/ Verwandtenpflege)

In der Zeit des Clearingverfahrens wird auch geprüft, ob sich Eltern oder Verwandte im In- oder Ausland aufhalten. Oftmals werden Familien während der Flucht getrennt oder die Minderjährigen möchten zu bereits in Deutschland bzw. Europa lebenden Familienangehörigen. Die Familienzusammenführung steht grundsätzlich im Vordergrund und ist daher einer der Prüfungsschwerpunkte während des Clearingverfahrens. Während der vorläufigen Inobhutnahme und dem Clearingverfahren ist eine enge Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und der zuständigen Ausländerbehörde unablässig.

Schwerpunktjugendamt „Region Nord“

Aufgrund der Erfahrungen aus der Zeit der massiven Zuzüge 2015 und 2016 nimmt das Jugendamt der Stadt Trier seit 2017 die Aufgaben als so genanntes Schwerpunktjugendamt für die 15 beteiligte Jugendämter in der Region Trier und im Norden von Rheinland-Pfalz wahr. Weitere Schwerpunkt Jugendämter sind in der Stadt Mainz, im Landkreis Mainz-Bingen und im Landkreis Kusel installiert. Die Arbeit des Schwerpunktjugendamts basiert auf einer Zweckvereinbarung, welche dem Jugendamt der Stadt Trier für den Zeitraum des Clearingverfahrens die Zuständigkeit anstelle der angeschlossenen Jugendämter überträgt. Hierunter fallen die pädagogischen Maßnahmen sowie die verwaltungs-, sorgerechtlichen und organisatorischen Abläufe des Clearingverfahrens, welches nach 8-12 Wochen endet. Durch die Übernahme des Clearingverfahrens erhalten die beteiligten Jugendämter Zeit, sich um geeignete Nachfolgeplätze zu kümmern. Das Schwerpunktjugendamt der Stadt Trier, im Speziellen die Vormünder, übernehmen auch während des Clearingverfahrens bereits die Aufgaben des gesetzlichen Vertreters. Da der ungeklärte aufenthaltsrechtliche Status für umA eine besondere psychische Belastung darstellt, ist eine zeitnahe Regelung der Vormundschaft und die damit verbundene enge Begleitung der Schutzbefohlenen unablässig. Im Anschluss entscheidet das zugewiesene Jugendamt, in welchem Umfang die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge einen weiteren Bedarf an Jugendhilfe haben. Hierzu ist das gesamte Leistungsspektrum des SGB VIII je nach individuellem Einzelfall in der Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII zu prüfen. Neben den Aufgaben des Schwerpunktjugendamtes betreut das Stadtjugendamt Trier über das Clearingverfahren hinaus auch die jungen Menschen in eigener Zuständigkeit, die der Stadt Trier im Rahmen der landesweiten Verteilung durch das Landesjugendamt zugewiesen werden.

Was passiert, wenn die umA volljährig werden?

Sollte ein Jugendlicher nach Erreichen des 18. Lebensjahres noch weiteren Hilfebedarf haben, so hat er die Möglichkeit nach § 41 SGB VIII Hilfe für junge Volljährige zu beantragen. Dieser Antrag wird dann vom Jugendamt auf einen weiteren erzieherischen Bedarf geprüft und gegebenenfalls bewilligt. Sollte kein weiterer Bedarf festgestellt werden, wird die Jugendhilfemaßnahme beendet. Es erfolgt eine Übergabe in andere Zuständigkeiten, wie das Amt für Soziales und Wohnen oder das Jobcenter.

Wer übernimmt die Kosten?

Das Landesjugendamt Rheinland-Pfalz ist als überörtlicher Träger zuständig für die Kostenerstattung gemäß § 89d SGB VIII der erbrachten Jugendhilfeleistungen.
Auch wenn sich die Unterbringung in Jugendhilfeeinrichtungen durch die Übernahme der Clearingfällen häuft, erzeugt das Schwerpunktjugendamt keine zusätzlichen Kosten, da diese vom Land vollständig und fallbezogen erstattet werden.

Jugendamt der Stadt Trier, Februar 2025

 
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