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21.08.2018

Trier hat viele Talente

Gisela Sauer
Gisela Sauer.
Ende August verabschiedet sich Gisela Sauer, Fachbereichsleiterin für Kultur und Gesundheit bei der Volkshochschule (VHS), in den Ruhestand. Ein Projekt, das sie zuletzt leidenschaftlich vorangetrieben hat, ist der Talent-Campus, ein Projekt zur kulturellen Bildung. Im Gespräch mit der RaZ erzählt sie, wie sich aus kleinen Anfängen Großes entwickelte und aus jungen Migranten offene und selbstbewusste Jugendliche wurden.

RaZ: Frau Sauer, wie ist die Idee entstanden, den Talent-Campus in Trier durchzuführen?

Gisela Sauer: Ende 2012 hat uns der damalige Leiter der VHS Rudolf Hahn darauf hingewiesen, dass sich der Deutsche Volkshochschulverband beim Bund im Rahmen von „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung" um Fördergelder für Ferienbildungsprojekte beworben hat, Talent- Campus genannt. Mir war aus meiner beruflichen Erfahrung klar, wie wichtig kulturelle Bildung ist, auch und gerade für bildungsferne Schichten, die keinen automatischen Zugang zu Kultur haben. Ich wollte also unbedingt so einen
Talent-Campus in Trier machen und habe sofort angefangen, mit Partnern ein Konzept zu entwickeln. Gleich am ersten Tag des Programms habe ich den allerersten Talent-Campus-Antrag von ganz Deutschland gestellt.

Welches Projekt haben Sie eingereicht?

Zusammen mit dem Jugendtreff Ehrang-Quint haben wir 2013 in Ehrang einen Ferienkurs veranstaltet, bei dem es um verbale und nonverbale Kommunikation ging. Den Stadtteil hatten wir ausgewählt, weil er in Teilen auch ein sozialer Brennpunkt ist, in dem viele Kinder nur wenig mit Kultur in Berührung kommen. Die Jugendlichen haben dort unter anderem ausprobieren können, sich mit Hilfe von Tanz und Bewegung auszudrücken.

Die Rathaus Zeitung hat oft über Talent-Campus-Projekte mit Geflüchteten berichtet. Um die ging es zunächst gar nicht?

Nein, wir haben allgemein Kinder und Jugendliche angesprochen, besonders solche aus kulturfernen Familien. In den letzten Jahren gab es auch immer wieder Kurse, an denen viele Deutsche teilgenommen haben. Im Sommer 2016 haben zum Beispiel deutsche und ausländische Jugendliche gemeinsam gekocht und sogar ein Kochbuch erstellt. Das war in Zusammenarbeit mit dem Exhaus und dem Jugendparlament. In den Osterferien 2016 hat eine gemischte Gruppe gelernt, mit Lenkdrachen umzugehen und den Sport „Parcours" geübt. Die Jugendlichen haben dadurch ihre Feinmotorik und ihr Körpergefühl verbessert – und nebenbei ihre interkulturellen Kompetenzen. Im Herbst 2016 haben wir im Treffpunkt am Weidengraben nochmals ein Kochprojekt mit einer gemischten Gruppe gemacht. Zusammen Kochen macht immer Spaß!

Wie kam es dann zu den speziellen Talent-Campus-Kursen für Migranten?

2015 hatten wir die Idee, Feriensprachkurse, die die Migrationsfachdienste anbieten, in einen ganztägigen Talent-Campus umzuwandeln. Morgens sollten die Jugendlichen Deutsch lernen und nach einem gemeinsamen Mittagessen nachmittags trommeln, tanzen oder andere Aktivitäten ausprobieren. Das war wirklich ein Rie-
senerfolg. Wir mussten den Antrag aufstocken, weil auf einmal 42 statt 30 Kinder mitmachen wollten. Viele Jugendliche sind danach von selbst gekommen und haben gefragt, ob es in den nächsten Ferien wieder einen Kurs gibt. 2016 haben wir in den Sommerferien den nächsten kombinierten Talent-Campus mit Sprachkurs durchgeführt – mit 49 Teilnehmern! Im Trommelstudio von Akom La Engel haben wir eine Abschlusspräsentation gemacht. Die Jugendlichen waren ganz scharf drauf, auf der Bühne zu stehen und ihren Eltern und Freunden zu zeigen, was sie gelernt haben.

Auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge haben Sie Kurse angeboten.

In Trier gab es als zentrale Aufnahmestelle recht viele unbegleitete Minderjährige. Sie waren erst kurz zuvor in Deutschland angekommen und konnten noch nicht zur Schule gehen. Das war total schwierig, sie waren teilweise traumatisiert, so dass sie noch gar nicht alle in der Lage waren, ihre Umgebung richtig zu erfassen. Insgesamt haben wir 2015 und 2016 zwei Projekte mit 57 Teilnehmern durchgeführt. Viele, die sich darauf eingelassen haben, konnten währenddessen ihre schlimmen Erlebnisse vergessen. Einige sind später in Berufsbildende Schulen gegangen. Uns wurde dabei klar, wie wichtig es ist, sich um diese traumatisierten Jugendlichen intensiv zu kümmern.

Sogar jungen Erwachsenen haben Sie deutsche Kultur nahegebracht.

2017 hat der Deutsche Volkshochschulverband das Format Talent-Campus 18plus entwickelt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren zwischen 18 und 26 Jahre alt. Wir wollten ihnen neben der deutschen Sprache die Kultur in Deutschland vermitteln und haben zum Beispiel das Rheinische Landesmuseum besucht oder auch das Haus des Jugendrechts. Mit einer Gruppe sind wir den Kreuzweg zum Petrisberg hochgegangen und haben oben auch die Kapelle besucht. Die Geschichte von Jesus kannten sie alle, aber in der Kapelle haben sie dann sogar auf einem der Wandgemälde Kaiser Konstantin und seine Mutter Helena wiedererkannt, weil sie sie vom Museumsbesuch her kannten. Das war toll. Auch die Flüchtlinge selbst waren vom Kurs begeistert und haben uns gesagt: „Ohne Euch hätten wir diese Dinge nie kennengelernt."

Am Samstag, 25. August, 13 Uhr, findet in der VHS am Domfreihof in Raum 5 die Abschlusspräsentation Ihres letzten Talent-Campus statt. Dort wird ein Film gezeigt. Erzählen Sie uns etwas über die Entstehungsgeschichte.

Das hat sich aus dem Sommerferienkurs 2017 entwickelt. 60 Jugendliche hatten mitgemacht und am Ende zusammen eine Musik-Theater-Tanzrevue aufgeführt. Daraus hatte sich dann in den Osterferien 2018 ein Theaterstück entwickelt. Ein halbes Jahr lang haben wir an zehn Terminen einige Jugendliche geschult in Sprechen, Schauspielen und Musik, die Musikschule war diesmal mit dabei. Alle fanden es sehr schade, dass es nur eine Aufführung gab. So kamen wir auf die Idee, mit einem Film etwas Dauerhaftes zu schaffen. In den ersten Sommerferienwochen haben wir gedreht und im Anschluss die Szenen geschnitten und vertont. Dieses Mal waren auch zwei deutsche Jugendliche dabei und eine Deutsch-Syrerin. Der Film thematisiert Hoffnung und sich in der neuen Gesellschaft zurechtzufinden. Konkret ist es ein Stück im Stück: Die Teilnehmer spielen Jugendliche, die kurz vor der Premiere ihres Theaterstücks stehen.

Einige der Jugendlichen haben mehrfach beim Talent-Campus mitgemacht. Wie haben Sie ihre Entwicklung erlebt?

Viele werden jetzt 18 Jahre alt, für sie ist der Talent-Campus zu Ende. Sie haben viel Selbstsicherheit und Offenheit gelernt und trauen sich mehr zu. Und im Talent-Campus haben wir wirklich Talente entdeckt. Die Jugendlichen haben gemerkt, was in ihnen steckt und konnten das weiterverfolgen. Einer hat mich sogar gebeten, beim nächsten Mal eine Hauptrolle spielen zu können, um sich persönlich weiterzuentwickeln. Andere haben sich erfolgreich um Stipendien für ihre Ausbildung bemüht. Aber auch wir Organisatoren und Dozenten hatten viel Spaß und sind zwischenmenschlich zusammengewachsen.

Wie wird es nach Ihrem Weggang mit dem Talent-Campus weitergehen?

Meine Kollegin Manuela Zeilinger- Trier hat bereits einen Antrag für einen Talent-Campus in den Herbstferien eingereicht, der in Trier-West durchgeführt werden soll, mit einem bewährten Dozententeam. Es geht also weiter!

Das Gespräch führte Britta Bauchhenß

 

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