Ja, es hat auch schon Tränen gegeben in der Asylstelle des Amtes für Soziales und Wohnen in der Eurener Straße, berichtet Sachgebietsleiterin Anja Zwirlein. Eine ältere Frau aus der Ukraine wurde nach ihrer Wohnung gefragt und erzählte dann: „Die gibt es nicht mehr." Unter Tränen. In den meisten Fällen aber sind die Menschen, die hier auf die Sachbearbeiter des Amtes treffen, gefasst, „sehr freundlich, sehr geduldig", berichtet Anja Zwirlein, „und vor allem dankbar". Dafür, dass sie ihre Fragen loswerden können, oder dafür, dass sie konkrete Hilfe bekommen. Das können einfach Informationen sein oder auch ganz konkret ein Abrechnungsschein, mit dem sie zum Arzt gehen und Medikamente bekommen können. „Wir sichern Existenzen", sagt Anja Zwirlein. Die Gespräche im Amt dauern oft bis zu einer Stunde, müssen meist übersetzt werden entweder von Freunden oder Verwandten der Flüchtlinge oder von der eigens angestellten Ukrainisch-Sprachmittlerin im Sozialamt. Anschließend wird zu jedem Fall eine Akte angelegt und Anträge werden geprüft und bearbeitet. 263 Fälle sind schon angelegt, das sind knapp 480 Personen, für die Hilfen beantragt wurden. Und täglich kommen neue Termine rein, wächst der Stapel mit den Anträgen weiter.
35 bis 40 persönliche Termine pro Woche sind bei der Asylstelle derzeit zusätzlich zu erledigen, berichtet die stellvertretende Amtsleiterin Laura Mascitti – und die „normale" Arbeit geht ja weiter. Daneben ist das Sozialamt auch damit beschäftigt, Wohnraum zu vermitteln – für Menschen, die kurzfristig untergekommen sind, nun aber eine dauerhafte Unterbringung benötigen. Hunderte Triererinnen und Trierer haben Wohnraum angeboten, die Mitarbeiter der Wohnraumberatung sehen sich jede Wohnung vorher an, sprechen mit Vermietern – um sicherzugehen, dass die Angebote seriös, die Wohnungen zumutbar sind. Das alles oft unter Zeitdruck und mit besonderen Herausforderungen: Auch Großfamilien oder Menschen mit Behinderungen sind zu vermitteln.
Egal in welchem der betroffenen Ämter: Es ist viel Bürokratie, klassische deutsche Verwaltungsarbeit zu erledigen, damit den Flüchtlingen geholfen werden kann. Dabei hat die Stadtverwaltung das Verfahren so weit wie möglich vereinfacht: Wenn die Menschen aus der Ukraine im Sozialamt ankommen, ist das meist der erste persönliche Kontakt mit der Verwaltung, denn die Anmeldung bei den Bürgerdiensten läuft per Mail, persönliches Erscheinen ist nicht nötig. Die hohe Zahl an Flüchtlingen bedeutet auch hier eine enorme Mehrarbeit: Zwischen drei und fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind damit beschäftigt, die Erstanmeldung zu machen. Wenn sich die Flüchtlinge – oft mit Hilfe von Freunden oder Verwandten – per Mail gemeldet haben, erhalten sie eine Reihe von Formularen, die sie ausgefüllt zurücksenden müssen. Amtsleiter Guido Briel sagt: „In der Regel läuft das reibungslos, nur ganz vereinzelt muss nachtelefoniert werden." Auch bei den Bürgerdiensten entstehen aus jeder der bisher über 750 Anmeldungen eine Reihe von Vorgängen: Die Daten kommen ins Einwohnermelderegister, andere Behörden werden über die Anmeldung informiert – im Grunde so, wie auch bei jedem anderen Neubürger, der nach Trier zieht.
Die Informationen gehen von den Bürgerdiensten auch ans Amt für Ausländerfragen, bei dem durch die vielen hundert Flüchtlinge ebenfalls erhebliche Mehrarbeit zu leisten ist. Denn hier müssen die Anträge auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse bearbeitet werden. Dazu ist dann auch ein persönliches Erscheinen im Amt nötig, da etwa Fingerabdrücke erfasst werden müssen, damit die so genannte „Fiktionsbescheinigung" erstellt werden kann. Damit können die Menschen aus der Ukraine in Deutschland arbeiten – was dem Wunsch vieler der Flüchtlinge entspricht. Die „Fiktionsbescheinigung" ist so lange gültig, bis die Bundesdruckerei aus Berlin mit den jeweiligen Daten aus Trier die Aufenthaltserlaubnis erstellt hat – eine Art Ausweis im Scheckkartenformat, den die Flüchtlinge dann noch einmal im Amt abholen müssen. „Nach und nach laden wir die Menschen zu uns ein und arbeiten Termine ab", sagt Amtsleiter Michael Weyer – der mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für rund 18.000 Menschen aus dem Ausland in Trier zuständig ist. 800 sind innerhalb weniger Wochen nun hinzugekommen.
Zuwachs an zu betreuenden Menschen gibt es auch für das Trierer Jugendamt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern sich um 48 sogenannte „umAs" aus der Ukraine – die Abkürzung steht für unbegleitete minderjährige Ausländer. Hinter dem bürokratisch klingenden Wort stehen Schicksale von Kindern und Jugendlichen, die ohne Eltern geflohen sind. Darunter ist beispielsweise eine ganze Fußball-Jugend-Mannschaft aus dem Umfeld von Dynamo Kiew. Das Amt versucht, Eltern der Kinder auszufindig zu machen, was immer wieder auch gelingt – wenn die Eltern ebenfalls geflohen und in Deutschland schon gemeldet sind. Die 13- bis 17-jährigen Fußballer wurden in einem Hotel untergebracht, freie Träger übernehmen die Betreuung. „Wir profitieren vom Netzwerk, das wir 2015/ 16 aufgebaut haben", sagt Jugendamtsleiter Carsten Lang, „und davon, dass die Träger diese Kompetenz aufgebaut haben."
Was der Verwaltung sehr hilft: Die Hilfsbereitschaft der Triererinnen und Trierer angesichts des schrecklichen Krieges in der Ukraine ist enorm – das bestätigt auch Ruth Strauß, die Integrationsbeauftragte der Stadt. Seit 2015, als Deutschland viele Menschen aus verschiedenen Ländern aufgenommen hat, hat sie ein Netzwerk aufgebaut, von dem Trier heute wieder profitiert. Sie hält Kontakt zu vielen Institutionen und Vereinen, unter anderem zu den Migrationsdiensten des Caritasverbandes und des Diakonischen Werks mit großer Erfahrung in der Flüchtlingsarbeit, aber auch zu dem kurz nach Kriegsbeginn gegründeten Verein „Humanitäre Hilfe Trier e.V". Gemeinsam mit der Trierer Ehrenamtsagentur hat Ruth Strauß Helfer gesucht und vernetzt diese mit den Organisationen, die Hilfe oder Helfer brauchen – und sie sorgt für ständig aktuelle Informationen auf www.integration-trier.de.
Informationen verteilen, auf dem aktuellsten Stand sein – das ist auch Aufgabe und Herausforderung zugleich für Alexa Gádi. Sie ist eine der beiden Mitarbeiterinnen, die das städtische Beratungstelefon zur Ukraine- Krise betreuen. Die Verwaltung hat kurz nach Kriegsbeginn entschieden, ein solches Angebot zu machen. Es wird rege genutzt. Bis zu 50 Anrufe pro Tag gehen hier ein. Nicht Flüchtlinge selbst rufen an, sondern auch hier oft wieder Freunde oder Verwandte. Häufig sind es lange Gespräche, berichtet Gádi, oft sind die Menschen am Beginn sehr aufgeregt – und hinterher froh, dass ihnen zugehört wurde und sie Informationen bekommen. „Wir zeigen die Wege auf, wir sind einfach da und versuchen zu helfen – das gibt vielen schon etwas mehr Sicherheit." Dass das Beratungstelefon hilfreich ist, zeigt sich auch daran, dass eine ganze Reihe von Anrufen aus anderen Teilen der Republik eingegangen sind – viele Kommunen scheinen ein solches Angebot also nicht zu machen.
Normalerweise arbeitet Alexa Gádi als Juristin bei der Bauaufsicht, beschäftigt sich mit Klagen in Bausachen. Dass sie derzeit Flüchtlingsfragen am Beratungstelefon beantwortet, zeigt, wie schnell die Stadtverwaltung angesichts dieser neuerlichen Krise reagieren musste. Nur einen Tag nach Kriegsbeginn hatte Oberbürgermeister Wolfram Leibe einen Verwaltungsstab einberufen und zwei Mitarbeiter der Berufsfeuerwehr fest mit der Koordination der Flüchtlingsthemen ämterübergreifend betraut. Die betroffenen Ämter, ergänzt um Organisationsamt, Personalamt, Zentrale Finanzen und das Presseamt, sitzen ein bis zweimal wöchentlich zusammen, beraten über die Themen und versuchen – trotz der coronabedingten Ausfälle in vielen Abteilungen – Mitarbeiter in die am meisten belasteten Ämter umzuschichten. „Ich danke allen, die sich privat für Flüchtlinge in Trier einsetzen – und auch den vielen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in unserer Verwaltung", sagt OB Leibe. „Den von diesem ungerechtfertigten, brutalen Krieg vertriebenen Menschen zu helfen, ist alle Anstrengungen wert."
Michael Schmitz